„Und Sie machen das umsonst?“ Anna B. (Name von der Autorin geändert) sieht die gute Fee, die soeben in ihre Wohnung hereingeschneit ist, ungläubig an. Die junge Oldenburgerin ist alleinerziehende Mutter zweier kleiner Kinder. Einen Mann gibt es nicht. Ebenso wenig Großeltern oder andere Angehörige, die sie unterstützen, mal auf die Kinder aufpassen könnten. Ein Zuckerschlecken ist das alles bestimmt nicht.
Aber ja – die gute Fee nimmt kein Geld. Denn Gisela Bednarek ist Familienpatin beim Sozialdienst katholischer Frauen (SkF) Oldenburg. Ehrenamtlich. Aufmunternd sieht sie Anna B. an und schüttelt ihr die Hand.
Und dann fängt Anna B. an zu erzählen. Redet sich alles von der Seele.
„Die ersten drei Treffen haben wir erstmal nur geredet“, erinnert sich Gisela Bednarek zurück. Seit drei Jahren engagiert sich die 69-Jährige bereits für Familien, das SkF-Projekt „Familienpaten“ gibt es seit dem Frühjahr 2011. Der Verein beobachtete damals, dass es viele Eltern ohne Angehörige gibt sowie Alleinerziehende mit vielen Kindern, die Unterstützung gut gebrauchen könnten.
1 von 8
Einmal pro Woche stellt eine Familienpatin zwei bis drei Stunden ihrer Zeit einer Familie zur Verfügung. Geht zum Beispiel in dieser Zeit mit den Kindern spazieren, damit sich die Mutter um den Haushalt kümmern, einkaufen – oder endlich mal schlafen kann. „Die Mütter sind oft müde und überfordert“, hat Gisela Bednarek festgestellt.
Das Angebot ist für die Familien kostenlos, unabhängig von der Konfession. Außerdem bleibt die Zusammenarbeit vertraulich. Deshalb soll auch die Anonymität von Anna B. und den anderen Familien gewahrt bleiben. Allerdings gibt es ein Video vom Kinderschutzbund Herford auf Youtube, das einen Einblick in die Arbeit einer Familienpatin gibt:
Es ist eine Begleitung auf Zeit und gilt so lange, wie beide
Seiten es wünschen. „Der Abschied ist manchmal ein bisschen schwer“, sagt
Sabine Roßkamp. Auch sie ist seit drei Jahren ehrenamtliche Familienpatin. Eine
Freundin, die bei der Stadt arbeitet, hatte sie mit den Worten „Du bist doch so
kinderlieb…“ angesprochen und auf das Projekt aufmerksam gemacht. Gisela
Bednarek war durch einen kleinen Artikel in der NWZ auf dieses Ehrenamt
gestoßen. Beiden Frauen gefielen die Stimmung und das Miteinander der
„offenherzigen Frauen“ bei dem Projekt spontan so gut, dass sie blieben.
„Ich finde es wunderschön, dass man mit den Erfahrungen, die man als älterer Mensch hat, jüngere unterstützen kann“, sagt Sabine Roßkamp.
1 von 2
Aktuell betreuen sechs Ehrenamtliche des SkF ein bis zwei Familien, darunter Mütter und ehemalige Lehrerinnen. Die Konfession spielt keine Rolle. Wer sich allerdings in dem Projekt engagieren will, muss ein Erweitertes Führungszeugnis vorweisen können.
Einmal pro Monat treffen sich die Patinnen zu einer Besprechung beim SkF im Forum St. Peter in der Peterstraße 22, erläutert
Marina Tihen, Projektleiterin und Koordinatorin der Familienpatinnen. Jede
Patin erzählt dann von ihrer aktuellen Situation in der Familie, tauscht sich
mit den anderen aus. Zwei- bis dreimal im Jahr finden außerdem Schulungen zu
verschiedenen Themen statt, zum Beispiel zum Bild der Familie oder zur Freizeitgestaltung mit Kindern. Auch Rechtliches bekommen die Patinnen vermittelt,
wie Schweigepflicht, Haftung oder Infos zur Arbeit des Jugendamts.
„Wir müssen gut darüber informiert sein, welche Angebote es in Oldenburg gibt“, sagt Marina Tihen, über die der Erstkontakt der Familien zu den Patinnen entsteht, „denn wir versuchen, für die Familien ein Netzwerk zu schaffen.“ Dazu zählen Angebote aus den einzelnen Stadtteilen, Projekte wie „Balu und Du“ oder „GUSTL“ (Guter Start ins Leben) von der Stadt Oldenburg. Tihen steht außerdem in Kontakt mit den Sozialpädagogischen Familienhilfen der Stadt Oldenburg.
„Einmal wollte eine Mutter nicht, dass jemand von ihrer
Familienpatin erfährt. Als eine Nachbarin mal geklingelt hat, sagte sie, dass
sie gerade Besuch von einer Freundin hätte“, erzählt Roßkamp.
Manche Mütter
gehen dagegen offen mit der Situation um; eine von ihnen erzählt: „Die
Personen, denen ich von der Familienpatin erzählt habe, fanden das prima.“ Sie
selbst ist von Gisela Bednarek einige Monate unterstützt worden. Sie brauchte
dringend Unterstützung, nachdem sie und ihr Mann sich getrennt hatten. „Ich
kann es jeder Mutter in einer Notsituation nur wärmstens empfehlen, diese Hilfe
in Anspruch zu nehmen. Es ist fantastisch, dass es diese Möglichkeit gibt.“ Sie
und Bednarek seien sich auf Anhieb sympathisch gewesen. „Das hat gut gepasst“,
erzählt die Mutter zweiter Töchter.
Den Patinnen steht ein Rucksack mit Spielzeug zur Verfügung,
den sie mit zu den Kindern nehmen können. Sie unternehmen aber auch viel
draußen im Freien mit ihnen, erkunden die nähere Umgebung – auch in
Gummistiefeln und Regenjacke –, schnuppern an Blumen, besuchen die
Familienbücherei.
„Die Mütter sind wach und gucken sich das ab“, sagt Sabine
Roßkamp. Schließlich sollen sie ja nach der ehrenamtlichen Unterstützung auf
eigenen Beinen stehen können. Dank der Familienpatinnen fühlen sich die
überforderten Mütter nicht allein gelassen. „Das ist sowas Großes für die
Mütter“, hat Sabine Roßkamp festgestellt.
1 von 3
„Für mich ist es sehr wichtig, dass Sie ehrenamtlich meine Tochter betreuen. Ich hätte sonst keine andere Möglichkeit, regelmäßig an meiner NA-Selbsthilfegruppe teilzunehmen. Ich sehe darin den einzigen Weg, an meiner Genesung zu arbeiten und langfristig clean zu bleiben. Das Zwölf-Schritte-Programm und die Zugehörigkeit zur Gemeinschaft helfen mir dabei.
Da ich derzeit ALG II erhalte – auch wenn ich eine Umschulung mache – kann ich keine regelmäßige Kinderbetreuung bezahlen. Ich bin sehr froh und dankbar, dass wir Sie gefunden haben. Für meine Tochter sind Sie inzwischen eine feste Bezugsperson geworden, was sehr schön und wichtig für sie ist, da ich bis auf meinen großen Sohn keine Familie in Oldenburg oder der näheren Umgebung habe und alleine mit ihr lebe.
Sie denken sich auch immer tolle Sachen aus, die Sie mit meiner Tochter machen können, und es ist immer schön für sie, und sie freut sich, wenn Sie kommen. Vieles könnte ich auch ohne Auto schon gar nicht selber mit ihr unternehmen.
Und ich habe jetzt auch die Möglichkeit, zu meinen Lehrgängen zu fahren, sonst hätte ich nicht gewusst, wo ich mein Kind so lange mit gutem Gefühl lassen kann.
Also noch mal vielen Dank, und wir hoffen, dass Sie noch weiterhin zu uns kommen.“
1 von 6
Übrigens: Wer sich selbst ehrenamtlich bei den Familienpaten engagieren möchte, sollte erfahren im Umgang mit Kindern sein und Einfühlungsvermögen besitzen. Weder die Konfession noch das Geschlecht spielen eine Rolle. Marina Tihen: „Wir würden auch Männer nehmen!“
Kennen Sie auch jemanden, der ein besonderes Ehrenamt ausübt? Oder sind Sie selbst in einer Einrichtung oder einem Verein besonders engagiert? Dann melden Sie sich gerne per Mail an jantje.ziegeler@nordwest-zeitung.de oder telefonisch unter 0441/99882157.
Falls Sie sich gern ehrenamtlich engagieren möchten, aber nicht wissen, wo, kann Ihnen die Agentur ehrensache der Stadt Oldenburg weiterhelfen.