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U-Boot Schwerelos in 55 Metern Tiefe

Jantje Ziegeler

Hemmoor/Oldenburg - Ich lege den Kopf in den Nacken, schaue in den blauen Himmel. Die Sonne scheint. Alles ist friedlich. Dann passiert etwas Seltsames: Lauter unterschiedlich kleine Kugeln fliegen nach oben. Ich sehe ihnen staunend zu, wie sie schwerelos davontänzeln. Träume ich?

Wenige Stunden zuvor

Auf geht’s ins über 100 Kilometer entfernte Hemmoor, Landkreis Cuxhaven, zur Tauchbasis Kreidesee. Hier will ich meinen U-Boot-Führerschein machen. Stephan Gildehaus, Kreidesee-Mitarbeiter und U-Boot-Pilot, bringt mich zum Einstieg 1, wo das U-Boot Eurosub „parkt“. Schick sieht es aus. Quietschig gelb und ganz anders als die grauen Kolosse aus dem Museum. „Du kannst als Erstes mal den Kalk wechseln“, sagt Stephan. Kalk: Der ist unbedingt notwendig an Bord, da er das ausgeatmete Kohlenstoffdioxid aufnimmt. Vorsichtig kippe ich die neuen kleinen weißen Körnchen in das Behältnis, den sogenannten „Scrubber“. Den setze ich dann neben die Sauerstoffflasche an Bord.

Jetzt noch die Pressluftflaschen im hinteren Teil des U-Boots aufdrehen. Dann ist es soweit. Noch ein bisschen verkrampft halte ich mich am U-Boot fest, während ich das erste Mal hineinklettere. An Bord drehen wir die Sauerstoffflasche auf.

„Nimmst du das mal eben an?“ Stephan reicht von oben eine kleine Kiste mit weiteren Messgeräten rein. Das Sauerstoff-Messgerät ist eines der wichtigsten an Bord. Die Luft, die wir normalerweise einatmen, besteht zu 20,9 Prozent aus Sauerstoff. Im U-Boot sollte der Wert etwa genauso hoch sein. Natürlich ist auch das Kohlenstoffdioxid-Messgerät unbedingt notwendig. Der ebenfalls unverzichtbare Kompass ist bereits an Bord.

Es wird ernst: Stephan hat den „Dome“ über sich zugezogen und verriegelt. Gebannt fixiere ich die Unterwasserwelt, die vor mir am vorderen „Dome“, der großen Kunststoffkuppel zum Durchgucken, vorbeizieht. Da realisiere ich: Jetzt geht es in die Tiefe. In ein Umfeld, für das der Mensch von Natur aus nicht vorgesehen ist.


Hinzukommt, dass die Bewegungsmöglichkeiten im U-Boot nicht sonderlich groß sind. Notausgang? Wie denn!? Hat hier eigentlich schon mal jemand Panik bekommen, frage ich Stephan. Erst einmal, sagt er. Und das war ein Taucher. Ich lege die Grübelei beiseite und konzentriere mich wieder auf den Blick ins – Nichts. Lediglich der Strick der Boje, an dem wir entlangtauchen, verrät, dass sich das U-Boot gerade von oben nach unten bewegt.

Zehn Meter sind wir tief. Zeigt zumindest der Zeiger auf dem entsprechenden Messgerät an. Ich schaue nach oben, durch das kleine Bullauge über mir. Ich sehe kein Wasser, sondern den blauen Himmel. Merkwürdig. Stimmt die Anzeige etwa nicht, sind wir schon wieder an der Oberfläche? Huch – da tanzen sie plötzlich entlang: kleine Luftblasen. Bahnen sich ihren Weg aus der Tiefe von den Tauchern gen Himmel. Welch surreales, hübsches Bild.

Ich bin dran

Beim nächsten Tauchgang drückt Stephan mir die Funk-Fernbedienung in die Hand. Ich bin dran. Oha. Das Abtauchen übernimmt er aber weiterhin; erstmal.

Wir sind in 55 Metern Tiefe angekommen, knapp über dem Grund. Will ich nach rechts fahren, drücke ich den linken Joystick nach vorne. Will ich schneller nach rechts, ziehe ich den rechten Joystick zusätzlich nach hinten. Stephan gibt mir einen Kurs vor, den ich halten soll. Das kann doch nicht so schwer sein, die Display-Anzeige des Kompass’ über mir konstant auf 200° zu halten, während ich uns hier durch den See manövriere! …ist es aber.

Das Problem ist die Trägheit des U-Boots. Eine gefühlte Ewigkeit vergeht, bis das U-Boot jeweils meinen Wünschen nachkommt, sich beim Vorwärtsfahren einen Tick nach rechts oder links zu drehen. Langsam, behäbig und „verwunschen“ bewegen wir uns vorwärts. Ebenso sonderlich und verwunschen ist das Aufsetzen auf sandigem Grund. Als würden sich U-Boot und wegwirbelnder Sand in Zeitlupe bewegen.

Mir ist kalt. Über eine Stunde sind wir diesmal unten. Das wärmende Sonnenlicht ist weit weg.

Auf- und Abtauchen

Am nächsten Tag steht die nächste Herausforderung an: das Auf- und Abtauchen. „Wie viel wiegst du?“, hat Stephan mich tags zuvor ganz unverblümt gefragt. Eine Standardfrage, damit das U-Boot auch schwer genug ist, um zu sinken. Da wir nur zu zweit tauchen, befinden sich vorn in der „Nase“ 100 kg Blei, um die nicht vorhandene dritte Person auszugleichen. Auch das Trägergestell ist aus Blei. An Bord liegen außerdem mehrere kleine blaue Säckchen, Trimm-Blei: Jedes von ihnen wiegt 25 kg, um das Boot im Gleichgewicht zu halten. Da ich alleine vorne links sitze, und Stephan schwerer ist als ich, liegen die Säckchen vorne, rechts neben mir.

Stephan und ich samt Trimm-Blei tauschen die Plätze. Ich ziehe an dem grauen Hebel über mir: Die Tauchzelle öffnet sich. Durch das große Bullauge direkt über mir sehe ich zu, wie weit der Turm über mir ins Wasser eintaucht. Leicht nervös versuche ich, den richtigen Zeitpunkt abzupassen, und schließe dann das Ventil der Tauchzelle wieder. Der richtige Zeitpunkt, also nicht zu viel Wasser reinzulassen, ist wichtig, weil wir sonst zu schnell sinken würden. Pro zehn Meter Wassertiefe muss ich den Druck in der Regelzelle außerdem um 1 bar erhöhen. Sieht gut aus. Langsam sinken wir. Die Feinabstimmungen nehme ich mit Hilfe der Regelzelle vor. Wenn ich an dem blauen Hebel ziehe, strömt Wasser in sie hinein.

Jetzt wieder Auftauchen. Ich ziehe an dem pinkfarbenen Hebel: Die Tauchzelle wird angeblasen. Das Wasser wird rausgedrückt. Auch die Regelzelle habe ich unter Druck gesetzt. Die Luft drückt das Wasser hinaus. Es zischt. Ein bisschen unheimlich sind sie ja schon, die Geräusche. Aber da Stephan völlig gelassen bleibt, habe ich wohl alles richtig gemacht. Das Ganze wiederhole ich ein paar Mal.

Dann habe ich es geschafft. Zwei Tage U-Boot-Crashkurs. Abgefahren.

Wieder da

Ich stehe auf dem Steg. Die Sonne lässt das Wasser glitzern. Es ist warm. Ich höre das Klatschen der Wellen, die gegen die Boote schwappen, der Wind raschelt im Schilf.

Hallo, Welt, ich bin wieder da.

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